Farben

Mit großer Zufriedenheit habe ich vor einer Weile den erfrischenden Appell zur Kenntnis genommen, die deutsche Nationalflagge während der fußballerischen Festspiele nicht zeigen zu dürfen.
Weil man dadurch den Patriotismus mit dem Nationalismus gleichsetzen könnte. Klasse! Bin ohne jeden Zweifel dafür. Ich meine: nicht zeigen zu dürfen.
Allerdings geht mir das nicht weit genug. Man sollte nicht nur das Vorgeschlagene zum Gesetz machen, sondern gleich alle Flaggen – und noch weiter: alle Farben – verbieten. Oder zumindest infrage stellen.
Selbstverständlich könnte man als Zwischenlösung zunächst die Fahnenstangen prinzipiell verbieten. Auf Grundlage der Tatsache, dass man sie als Tötungswaffen erkennen und verwenden kann – es bietet sich ja an. Wobei selbst das wäre mir zu sanft, zu profillos. Wenn schon, dann bitte gleich bei den Pinseln anfangen – schließlich werden die für Farben benutzt.
So oder so: Es ist höchste Zeit, dieser unerträglich bunten Welt eine präzise gesellschaftliche Rechnung zu stellen. Die Zeit ist gekommen.
Denn Farben spielen weit mehr eine Rolle, als sich selbst darzustellen. Oder uns kleidungstechnisch zu unterscheiden. Oder um irgendwelchen Schwachsinn auf Bettwäsche zu drucken.
Nehmen Sie Rot: Rote Armee, Rote Khmer, Rote Flora – unerträglich beleidigend für bestimmte Volksgruppen. Denken Sie dabei ruhig nicht an Fenimore Cooper – Karl May reicht.
Oder Grau: die graue Eminenz, Grauburgunder – eine miese Verletzung der Menschenrechte. Pure!
Und weiter: Schwarzer Montag, schwarze Oliven, schwarze Witwen. Wie konnten ausgerechnet die Nazis das Schwarz zur Hauptfarbe erklären? Unfassbar!
Dann dieser Gelbsucht- und Goldwahn. Auch hier lassen sich, ohne jeden Zweifel, gewisse Gemeinsamkeiten feststellen. Apropos Gelb: Hat das etwas mit Juden zu tun? Oder mit asiatischen Ländern im Frühling? Tja, der Frühling als Bedeutungsträger hat sich ohnehin abgeschafft – als eine furchtbare Andeutung an Orange.
Wobei: Alles ist interpretierbar. In die eine oder andere Richtung. Die entscheidende Frage bleibt: Wer bestimmt diese Richtung?
Manchmal frage ich mich selbst: Was bedeutet eigentlich die grüne Farbe? Ein öffentliches Bekenntnis zum Öko-Diesel? Oder sind gewisse islamische Verbindungen zu beobachten? Auch die grünen Männchen auf der Krim werfen Fragen auf. Man weiß ja nie.
Die Chemiker sagen, in der Natur gibt es nichts Reines. Deshalb muss man sich farbenmäßig äußerst vorsichtig bewegen – und nicht nur auf der Straße von einer Ampel hin bis zur nächsten.
Grundsätzlich steht fest: Es gibt Diskrepanzen zwischen „eine Farbe erkennen“ und „sich zu einer Farbe bekennen“. Manche sind knallrot bis zum Urlaub und vor allem danach – for free in Florida auf knapp kalkulierten Staatskosten – und trotzdem fahren sie in der Heimat über Rot, als wären sie Anfänger in Grün.
Deswegen, wenn ich Menschen beobachte, wie sie profillos mit Nationalflaggen hin und her winken, kann ich nur ernüchtert den Kopf schütteln: Was wollen sie eigentlich sagen?
Der da zum Beispiel mit der Baseballkappe – was allein schon verdächtig ist. Was meint er, wenn er die Flagge zweimal nach links, dreimal nach rechts bewegt? Ist das ein Zeichen? Ist er ein Schläfer? Warum reagiert die Polizei nicht? Liegt das an der blauen Farbe der Uniform?
Man muss höllisch aufpassen. Gerade beim Fußball. Gelb – Rot – Schwarz: Alles potenziell verdächtig. Alles vorbelastet.
Man sollte über eine Quote für farblich vorbelastete Flaggen nachdenken. Diese Quote könnte abhängig gemacht werden von der Anzahl der Fußballer je nach Herkunftsländern, samt ihrer Familienmitglieder und freundlichen Unterstützern auf dem Feld.
Obwohl – manchmal schlagen diese freundlichen Nationalspieler mit voller Wucht auf einen weißen Ball. Das kann ich überhaupt nicht ab.
Weg damit, liebe Genossinnen und Genossen, weg mit Farben! Alles in eine Plastiktüte stecken, damit alles schön farblos wird. Plastiktüten – das ist übrigens ein Thema für das EU-Parlament.
Und ein letzter Punkt macht mir Sorgen: Soll man auch das Laufen der Fußballer verbieten? Es könnte ja sein, dass jemand im Publikum sitzt, der nicht laufen kann.
Wie gehen wir damit um?